Medizin & Seele

Demenz

Eine Begegnung der Seelsorge mit Menschen mit Demenz geht vom personenzentrierten Ansatz aus und ist geleitet vom Konzept, im Gegenüber auch immer seine Person, seine unverlierbare Würde zu sehen.

(Ver)-Bindungen

Im Grunde sind es doch die Verbindungen mit Menschen, die dem Leben seinen Wert geben.  

Wilhelm von Humboldt (Gelehrter)

Der demenzbetroffene Mensch braucht dasselbe wie alle Menschen: Beziehung, Zuneigung, Freude an ihm, Gefühl der Sicherheit und Geborgenheit. Der demenzbetroffene Mensch lebt im „Hier und Jetzt“, im Augenblick. Seine Lebensqualität besteht aus der „Kontinuität der schönen Augenblicke“.

«Zwar ist sein Leben durch die Demenz bestimmt, aber er geht nicht in der Krankheit auf, weil der erkrankte Mensch primär Mensch ist und somit trotz der Erkrankung ein unverwechselbares und einzigartiges Individuum bleibt.» (Giovanni Maio)

Ziel der spirituellen Begleitung von Menschen mit Demenz durch die Seelsorge ist:

  • echtes Interesse am anderen und Zuwendung zu vermitteln, im Moment der Begegnung.
  • eine klare, positive, wertschätzende und achtsame Haltung stärkt die Persönlichkeit und steigert das Wohlbefinden.
  • Wenn ein demenzkranker Mensch in seiner früheren Lebensphase in einer Religion oder Glaubensgemeinschaft verankert war oder eine persönliche Spiritualität praktiziert hat, hört das mit dem Verlust des Verstandes nicht auf. Spiritualität geht über das Denken und kognitive Wissen hinaus. Dies kann durch die Seelsorge als Ressource gefördert werden.

 

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Kommunikationsformen

Die Demenzerkrankung ist keine Sonderform des Menschseins, sondern erfordert vom medizinischen Personal und von der Seelsorge an demenzkranken Patienten besonderes Fingerspitzengefühl. Vieles muss erraten und gefolgert werden. Bekannte Rituale, laut gesprochene Gebete oder gesungene Lieder können in der Seele eines dementen Patienten oder einer Patientin nachklingen. Immer wieder kann beobachtet werden, dass sich die von Demenz betroffenen Menschen von vertrauten Liedern, Gebeten, Gedichten, Musik, Liturgie, sakralen Ritualen und der Gemeinschaft mit Menschen anrühren lassen. Offensichtlich ist eine tiefere Ebene des Ichs als der Intellekt ansprechbar und wach, die Ebene der Spiritualität.

Im besten Fall können sie Sicherheit geben und der Angst, völlig haltlos zu sein, entgegen steuern.

Wenn das von der Kognition geprägte Gespräch nicht mehr möglich ist, bleiben die anderen Kanäle, auf denen Menschen miteinander kommunizieren: durch eine Berührung, durch den Klang der Stimme, den Blickkontakt.

 

Seelsorge für alle

Die Seelsorger und Seelsorgerinnen im Spital, auf den "Memory-Stationen" der Psychiatrien und in den Alters- und Pflegeheimen, haben oft mehr Spielraum, um in Notfällen oder verzweifelten Situationen, in akuten Krisen präsent zu sein. Sie sind Ansprechperson FÜR ALLE, das heisst, neben den Patienten und Patientinnen ebenso für die An- und Zugehörigen sowie für das Pflegeteam – unabhängig von der Religionszugehörigkeit. Sie sind auf Abruf vor Ort.

Gerade in ethischen Belastungssituationen – wie auf Intensivstationen, bei Zwangsmassnahmen in der Psychiatrie, bei Hochbetagten, die alles verweigern – stehen die Seelsorgenden als Gesprächspartnerinnen und -partner zur Verfügung und suchen gemeinsam mit allen Beteiligten nach Auswegen und Lösungen.

Zum Weiterlesen

  •  Im Rahmen des Zertifikatsprogramms 2014 "Gerontologie heute: Besser verstehen, erfolgreich vermitteln, innovativ gestalten" hat Dr. Oliver Stens, Spitalseelsorger im GZO Wetzikon und im Waidspital Zürich, einen Projektbericht verfasst zum Thema: "Seelsorge für Demenzkranke. Hilfestellungen bei der Suche nach Seelsorgekonzepten." 
  • Einen beeindruckenden Einblick in ihre Arbeit als Seelsorgerin mit Demenzkranken gewährt der Erfahrungsbericht von Karin Oertle, Seelsorgerin am Waidspital. Eine gute Beobachtungsgabe und differenzierte Wahrnehmungsfähigkeit sind Voraussetzungen, um in Kontakt mit an Demenz Erkrankten zu kommen und unterstützend wirken zu können.

 Fortbildung

Wir bieten eine Fortbildung an: "Seelsorge und Demenz"