Medizin & Seele

Sterbebegleitung Stolperstein Auferstehung

Wie kann ich vom Weiterleben sprechen, wenn doch der Tod so hart ist? An Gottes Liebe denken, wenn ein Mensch entrissen wird?
31. März 2021 Spitalseelsorge

Als Spitalseelsorgerin sitze ich an vielen Betten von vielen Menschen. Manche von ihnen sind alt oder betagt, sie sind gestürzt und trainieren in einer Rehabilitation, um wieder mobil zu werden. Sie möchten selbstständig bleiben und weiterhin zu Hause wohnen können. Andere leiden an einer Form von Krebs, sie lassen sich bestrahlen. Dies kostet ihren Körper so viel, dass sie in der Klinik wieder zu Kräften kommen müssen.

Was all diesen Menschen gemeinsam ist: Sie hoffen auf Besserung. Sie hoffen auf Leben – auf ihr Leben, das sie weiterführen möchten. Immer wieder gelingt es, mehr oder weniger, und ich freue mich vollen Herzens mit diesen Menschen. Wie schwer ist es hingegen oft, mit den anderen zu realisieren: Es wird nicht mehr besser. Es heisst Abschied nehmen. Dann sitze ich am Bett eines sterbenden Menschen, bis zu dem Moment, in dem es sich in ein Totenbett verwandelt.


Für mich ist dies immer wieder von Neuem eine unfassbare Realität: Menschen, mit denen ich unlängst noch vom Leben sprach, sind «plötzlich» tot. Angesichts dessen ist mein Hoffen auf so etwas wie Auferstehung sozusagen der ultimative Stolperstein. Wie kann ich vom Weiterleben sprechen, wenn doch der Tod so hart ist? An Gottes Liebe denken, wenn ein Mensch entrissen wird? Ich merke, dass ich am Bett eines Verstorbenen nicht mehr «über» die Auferstehung sprechen kann, als wäre sie ein theoretisches Lehrstück.

Glauben an die Auferstehung – das klappt!

Was mir bleibt – und mehr bleibt mir wirklich nicht, ausser dem Verstummen: «Aus» meiner Hoffnung auf die Auferstehung «hinaus» zu sprechen. Dass ich an die Auferstehung glaube, ist für mich der einzige Grund, warum ich angesichts des Todes überhaupt noch weitersprechen kann, von Hoffnung und Zukunft, und noch weiter leben mag, in Zuversicht und Lebensfreude. Selber machen oder mir selbst geben, kann ich diese Hoffnung nicht. Ich brauche die anderen, die Sterbenden, die mit mir als Mensch und als Seelsorgerin gemeinsam danach suchen. Und ich brauche den einen, der uns diesen Weg vorausgegangen ist, den, der von sich sagt:

«Ich bin die Auferstehung und das Leben.»

Manche Menschen mögen sich schwer tun, an diesen Einen, an Jesus Christus und an seinen «Abba», seinen Vater, zu glauben. Schön ist, dass unabhängig davon vielen Menschen die ureigenen Sehnsüchte gemeinsam zu sein scheinen – gerade auch jene, die über den Tod hinausgehen: die Hoffnung auf ein Wiedersehen, die Hoffnung auf Frieden, Gerechtigkeit vielleicht, das Verlangen nach Liebe.

Dieser Beitrag erschien auch im f orum-Pfarrblatt Nr. 07/2016